Kreativ in der Krise: Jetzt zahlen – nach Corona konsumieren

Gespeichert von mark.gasser am

Mit der Corona-Krise muss der nächste Besuch bei der Coiffeuse warten. Aber vorgängig bezahlt werden kann er ja trotzdem – genau so wie das Weihnachtsessen: Um die Liquiditätskrise bei regionalen KMU zu verringern, setzt ein Drogist auf Gutscheine und Vorauszahlung.

Von einer solchen Zahlungsmoral träumen wohl viele Buchhalter. Doch kommt die originelle Idee von einem Drogisten: Sandro Rusconi von der Drogerie Rusconi AG in Hüntwangen sieht sie als kleinen Beitrag zur Überwindung der Liquiditätskrise vieler kleiner KMU. Er stellt kurzerhand die Abfolge von Dienstleistung und Entschädigung auf den Kopf: Überall dort, wo er regelmässig bei GewerbekollegInnen einkauft, verlangt er vorzeitig Gutscheine oder Vorausrechnungen per Email oder Telefon und bezahlt diese sofort – auch wenn sie erst nach der Aufhebung des Lockdown eingelöst werden können. «Meine Coiffeuse kann mir dann später mal die Haare schneiden», sagt Rusconi, «mein Wirt kann im Dezember das Teamweihnachtessen kochen, und so weiter.» Der Osteopath seines Vertrauens habe ihm nun eine Rechnung für fünf Behandlungen geschickt, ebenso habe er beim Kleiderladen seinen nächsten Einkauf vorfinanziert und seine nächsten Kinobesuche im «Bambi» in Bülach.

Gutschweizerische Zurückhaltung – trotz Existenzängsten

Vereinzelt stiess Drogist Rusconi mit seiner Idee auf Zurückhaltung seitens der betroffenen Betriebe: «Wir Gewerbler sind fast zu stolz, etwas anzunehmen», weiss Rusconi, der seit 1992 im Rafzerfeld domiziliert ist. Die Idee sei ihm gekommen, als er bei immer mehr Gewerbekollegen, die im Laden standen, im Gespräch spürte: «Die haben Angst ums Überleben.»

Im Gegensatz zu grösseren Firmen und internationalen Konzernen sei die Liquidität oft ein Problem, weil das Vermögen bei kleinen KMU oft im Betrieb gebunden sei. Sein Wunschszenario: Wenn sich nun viele, auch die Angestellten, die ihren Lohn weiter erhalten, der Idee anschliessen, «könnten wir mittels Solidarität den kleinsten KMU schnell etwas Luft verschaffen.» Damit meint er zwar alle, aber vor allem gelte dies für die vielen Selbständigen, die nun durch die behördlichen Massnahmen zwar indirekt betroffen sind, aber kein Anrecht auf Erwerbsausfallentschädigung haben.

«Praktisch Weihnachtsumsätze»

Rusconi will mit der Geste auch etwas an die Gesellschaft zurückgeben. Er gibt in einem Schreiben an den KGV unumwunden zu, «Profiteur der Coronakrise» zu sein, Liquiditätsprobleme seien der Drogerie fremd. Dafür arbeite sein Team derzeit an der Grenze der Belastbarkeit, der Hauslieferdienst werde (vor allem von älteren Kunden) stark beansprucht, und die Drogeriemitarbeiterinnen produzierten dank einer Sonderbewilligung laufend eigenes – mittlerweile rationiertes – Desinfektionsmittel. Falls er kein Ethanol mehr auftreiben könne, habe er bereits eine lokale Schnapsbrennerei zur Hand, verrät Rusconi. «Ansonsten verkaufen wir vorwiegend Fieber- und Hustenmittel. Wir haben praktisch Weihnachtsumsätze.» Um das Immunsystem zu stärken, seien Biostrath oder Arzneimittel mit Echinacea beliebt. Auch Schmerzmittel sei mittlerweile auf eine Packung pro Kunde limitiert. Doch viele befreundete Gewerbevertreter im Rafzerfeld seien von einem Tag auf den anderen durch den Nachfrageschock und den Lockdown des Bundes ohne Arbeit gewesen; Coiffeure, Floristen, Restaurantbesitzer, Osteopathen, Yogalehrer, Tennislehrer, Buchläden, Papeterien, kleine Kleider und Schuhgeschäfte, Kino, Theater und viele mehr. Diese seien allesamt zu Hause und hätten Existenzängste.

So hat der findige Drogist sich diese Art der Vorauszahlung ausgedacht, um «schnell und unbürokratisch zu helfen», wie er sagt, auch wenn der Staat bereits teilweise unterstütze.

Gute Idee – Gutscheine

Gutscheine erweisen sich auch andernorts als gute Idee gegen die Liquiditätskrise. Auch der Gewerbeverein Uitikon hat beispielsweise innert Tagen ein Gutscheinsystem lanciert. Wer aktuell Gutscheine von den ortsansässigen Firmen kauft, kann diese wieder einlösen, wenn die Geschäfte wieder öffnen dürfen. Ausserdem sind auf der Webseite www.gewerbeverein-uitikon.ch lokale Geschäfte mit Hauslieferdienst aufgelistet. Darunter sogar Gartenmöbel- und Sonnenschirmanbieter, eine Gelateria und eine Apotheke.

Haben Sie auch Beispiele von kreativen Ideen, wie GewerblerInnen die Krise in ihrem eigenen KMU-Betrieb oder in ihrem Umfeld meistern? Schicken Sie uns diese an: mark.gasser@kgv.ch