6. Können Vereinsversammlungen auch schriftlich durchgeführt werden oder kann, wie bei einer AG, ein Stimmrechtsvertreter bestimmt werden?

Nein. Das ist beim Verein anders. Weil Vereine personenbezogen strukturiert sind, ist grundsätzlich keine Stellvertretung in der Vereinsversammlung möglich – ausser die Statuten sehen dies explizit vor. Weil das «Kopfstimmprinzip» gilt, können keine Minimal-Versammlungen mit Stimmrechts-vertretern durchgeführt werden. Das ist nur bei Kapitalgesellschaften (z.B. AG) möglich. Auch die Durchführung von Vereinsversammlungen auf schriftlichem Wege ist unzulässig – ausser dies ist in den Statuten explizit vorgesehen.

Ausführliche Antwort von Prof. Dr. iur. Urs Scherrer:

«Es gibt die Möglichkeit nicht, an Stelle an sich vorgesehener ordentlicher Vereinsversammlungen auf andere Weise Beschlüsse als Vereinsversammlung zu fassen. Eine Vereinsversammlung bleibt eine Vereinsversammlung, eine Delegiertenversammlung eine Delegiertenversammlung. Da Vereine durchwegs personenbezogen strukturiert sind, grundsätzlich keine Stellvertretung in der Vereinsversammlung möglich ist (ausser dies ist in den Statuten so vorgesehen) und das „Kopfstimmprinzip“ herrscht, können auch keine Minimal-Versammlungen an Stelle ordentlicher Vereinsversammlungen (oder Delegiertenversammlungen) durchgeführt werden, etwa mit wenigen Mitgliedern, welche andere Mitglieder vertreten. Unzulässig sind auch Vereinsversammlungen nur in Anwesenheit von „Stimmrechtsvertretern“; solche sind dem Vereinsrecht fremd und gelten als vereinfachte Möglichkeiten im Rahmen von Kapitalgesellschaften. Unzulässig ist auch grundsätzlich die Durchführung einer Vereinsversammlung auf schriftlichem Weg, ausser, dies ist gemäss den entsprechenden Statuten möglich und vorgesehen. Wenn es die Statuten ausdrücklich zulassen, sind Beschlussfassungen im Rahmen von Generalversammlungsaktivitäten auf schriftlichem Wege möglich.

Grundsätzlich werden Vereinsbeschlüsse von der Vereinsversammlung gefasst (Art. 66 ZGB Abs.1; mit Art. 66 Abs. 2, Gleichstellung der Beschlussfassung auf schriftlichem Weg mit Beschlüssen der Vereinsversammlung, ist nicht der Fall der sog. „Urabstimmung“ (schriftliche Mehrheitsentschei-dung) angesprochen; diese Modalität ist allenfalls gemäss Vereinsstatuten möglich). Nur wenn alle Mitglieder einem Antrag schriftlich zustimmen (und auf diesem Wege Beschluss fassen), ist dieses Prozedere denkbar, und die Beschlussfassung der Mitglieder auf schriftlichem Wege ist einem Beschluss der Vereinsversammlung gleichgestellt (Art. 66 Abs. 2 ZGB). Damit ein solcher Beschluss auf dem Zirkularweg zustande kommt, müssen alle Mitglieder schriftlich zustimmen. Z.B. Abnahme eines Budgets: Wenn alle Vereinsmitglieder dem präsentierten Budget schriftlich zustimmen, wirkt dies wie ein Beschluss der Vereinsversammlung.

Zu beachten ist in allen Fällen und bei allen Fragen jeweils das in den Vereinsstatuten Vorgesehene.»