4. Müssen abgesagte oder nicht einberufene Vereinsversammlungen nachgeholt werden?

Ja. Wenn es die Umstände wieder zulassen, muss eine Vereinsversammlung durchgeführt werden. Bis dahin muss der Vorstand die Führung intensiv übernehmen.

Ausführliche Antwort von Prof. Dr. iur. Urs Scherrer:

«In der Regel sind die Kompetenzen der Vereinsversammlung in den Statuten festgelegt oder ergeben sich aus dem Gesetz. Die Vereinsversammlung ist das oberste Organ eines Vereins und wird zuweilen auch als „strategisches Organ“ bezeichnet. Für das Funktionieren des Vereins sind insbesondere das Exekutivorgan des Vereins (in der Regel der Vorstand, Art. 69 ff. ZGB) zuständig und verantwortlich (vor allem in Notsituationen hat das Exekutivorgan entsprechend „Leadership“ zu übernehmen). Dennoch ist es evident, dass Vereinsversammlungen durchgeführt werden müssen, dies aber in zeitlicher Hinsicht dann, wenn es die (äusseren) Umstände wieder zulassen. In der Regel dürfte das Funktionieren der Vereinsarbeit nicht von Beschlüssen der Vereinsversammlung abhängig sein. In einer solchen Situation ist mit Blick auf das Funktionieren der Vereinstätigkeit eben vor allem die Exekutive (meistens „Vorstand“ genannt) verantwortlich. Art. 69c ZGB (Mängel in der Organisation) findet sich denn auch unter der allgemeinen „Vorstands-Norm“ von Art. 69 ZGB (ein Indiz für die Wichtigkeit der Exekutivarbeit auch in Extremsituationen). Lassen es also die äusseren Umstände wieder zu, müssen die noch nicht einberufenen oder abgesagten Vereinsversammlungen nachgeholt werden.»